Es gibt nichts Totes…
Es gibt nichts Totes auf der Welt,
hat alles sein Verstand.
Es lebt das öde Felsenriff,
es lebt der dürre Sand.
Lass deine Augen offen sein,
geschlossen deinen Mund,
und wandle still, so werden dir
geheime Dinge kund.
Da weißt du, was der Rabe ruft
und was die Eule singt.
Aus jedes Wesens Stimme dir
ein lieber Gruß erklingt.
– Hermann Löns –
Besonders für eine von Kälte und Dunkelheit geprägte Zeit, scheint obenstehende Naturbetrachtung des 1866 geborenen Dichters zuzutreffen. Wer jedoch mit geschulten Sinnen durch Wald, Feld und Flur geht, wird eines besseren belehrt. Immer wieder machen sich dabei kleine Zeichen wachsenden Lebens bemerkbar. Bei dem bislang milden Winter im heurigen Jahr kein Wunder. Da stieß ich bereits Ende Dezember auf Blüten der Zierquitte in meinem Garten. Veilchen, Gänseblümchen und Primeln gehören infolge der spürbaren Klimaerwärmung ja sowieso zu meinen winterlichen Dauergästen. An einer geschützten Stelle konnte ich sogar eine unverzagt blühende Herbstanemone ausmachen. Auch die Knospen der Salweide sind in unseren südlichen Gefilden dem Platzen nahe und die silbergrauen Kätzchen wetteifern mit den Haselkätzchen um die Wette, wer es wohl als erstes
schafft, den Vorfrühling anzukünden.
Weiter oben freilich, da liegt die Welt in tiefem Winterschlaf. Bei einer Wanderung auf dem Salten konnte ich letzthin endlich den Winter mit Schnee und scharfem Wind erahnen, was mir, gut eingemummt, nichts ausmachte.
Gleich wie den Lärchen, jenen grazilen und dennoch so starken Nadelbäumen, die unseren Almen den typischen Charakter geben. In kleinen Gruppen stehen sie da, oder doch am liebsten solitär, um ihrer Stattlichkeit keinen Abbruch zu tun. Dem Merkmal ihrer Artgenossen wollen sie sich sowieso nicht unterordnen und werfen im Herbst ihr gelbes Nadelkleid einfach ab. Sie dann als nackt zu bezeichnen wäre vermessen, denn die vielen bauchig eiförmigen Zäpfchen zieren sie wie kleine Christbaumkugeln und lassen sie im Gegenlicht schwer beladen aussehen. Die Symbiose mit den Bartflechten, die mal bauschig aufgebläht, mal zottig hängend an Stamm, Zweigen und Ästen Platz genommen haben, verleihen der Lärche ein verwegenes Aussehen.
Lärchen sind wichtige Schutzbäume gegen den stürmischen Bergwind und gegen Erosionsschäden. Als Tiefwurzler haben sie genügend Standhaftigkeit, wenngleich sie auch manchmal recht zerzaust aus diesen Kämpfen hervorgehen. Im Frühling rückt dann der Bergbauer mit dem Rechen aus, um die Bergwiesen vom Gestrüpp zu befreien, damit dem Graswuchs und der Weide nichts im Wege steht. Durch diese Maßnahmen erweist er sich als wichtiger Landschafts- und Naturpfleger. Nicht nur Wanderer und Touristen profitieren davon, in den aufgestauten Hügeln aus Zweigen und Ästen findet auch verschiedenstes Kleingetier, vornehmlich Ameisen und andere Insekten einen willkommenen Unterschlupf.
Das Holz der Lärche ist äußerst harzreich. Leider gereicht ihr das nicht immer zum Vorteil und schon so mancher Baum hat durch einen zerstörerischen Blitzschlag sein Leben lassen müssen. Uns Menschen bietet das „Lörget“ allerdings eine gute Ausgangsbasis für heilende Salben. Lärchenpechsalbe fördert die Durchblutung, lindert dadurch Muskelverspannungen oder Neuralgien und wirkt schleimlösend in Form einer Bronchialeinreibung. Zudem findet diese „Baumsalbe“ auch als natürliche Zugsalbe und als pflegendes Wundheilmittel Verwendung.
Für die Herstellung wird ein nussgroßes Stück Lärchenpech im Wasserbad geschmolzen und durch Abseihen gereinigt. Mit der doppelten Menge Olivenöl und etwas Bienenwachs (1 Teil auf 10 Teile Öl) bzw. durch die Zugabe von Heilerde, Propolistropfen,
Arnika- oder Johanniskrautöl kann je nach Verwendungsabsicht ein heilsames Produkt entstehen.
Lärchenholz ist sehr wertvoll und eignet sich als hartes und formstabiles Bauholz für innen und außen. Seine Langlebigkeit schätzt man bei der Herstellung von Balkonen, von Dachschindeln, Brunnen, Zäunen, Wasserrinnen… und muss sich auch vor Pilz- oder Insektenbefall nicht fürchten.
Bei den vielen Vorzügen der Lärche, dessen weiche, jungen roten Frühjahrszapfen man auch in der Küche für Liköre, Kräuterbutter oder Risotto verwenden kann, ist es also leicht möglich, wenn wir in ihrer unmittelbaren Nähe also einmal auf menschenfreundliche Waldfeen (Salige Fräulein) stoßen. Ihre Güte findet in vielen Sagen Niederschlag, aber auch ihre unheilsamen Folgen, wenn Menschen sich ihnen gegenüber als undankbar erweisen.