In Zeiten wie diesen: Be"LAST"bar

Bäume treiben mitunter seltsame Blüten.

Wenn ich mich mit offenen Augen auf die Suche begebe, kann ich immer wieder neue davon entdecken.

Jene, vor Gesundheit nur so strotzenden, kerzengerade, in den Himmel wachsenden und mächtig ausladenden Bäume,  aber auch jene krummen, gebeugten, gespaltenen, gewundenen, verkrüppelten, ineinander verschlungenen, miteinander verwachsenen Exemplare, denen man ihr hartes Los auf den ersten Blick ansieht.

 

Dann überlege ich mir, ob sie es vielleicht nicht gerade dieser Tatsache schulden, dass sie trotz allem stark, lebensfähig, unverwechselbar, einzigartig geworden sind und sich weder durch Gefahren von innen noch von außen zu schnell in die Knie zwingen lassen.

 

In Zeiten wie diesen fühlen auch wir uns wie Bäume, denen über Nacht der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.

Dazu prasseln ständig neue Nachrichten von Toten und Schwerkranken, von Einsamkeit und häuslicher Gewalt, von Wirtschaftskrise und überfordertem Gesundheitssystem wie Hagelkörner auf uns ein.

 

Bei einem kleinen Rundgang in der Nähe meines Wohnortes bin ich IHM begegnet, den ich, ich muss es eingestehen, nie zuvor gesehen habe.

Es ist ein Baum, der Unbeschreibliches geschafft  und sich mit innerer Kraft und starkem Willen nicht nur über knallharte, sondern auch über "steinharte" Tatsachen hinweggesetzt hat.

 

So wie jene kleine Palme aus einem afrikanischem Märchen, das ich heute erzählen möchte!

 

Ich hoffe sehr, dass wir, dem Beispiel dieser Palme folgend, unsere schwere Last bestmöglichst tragen und ertragen, um später gestärkt aus dieser Situation hervorzugeben.

Wenn es uns durch diese Krise gelingt, der Menschlichkeit, Dankbarkeit und Zufriedenheit in unserem Alltag größeren Raum zu geben, dann wissen wir, dass sie unser Leben letztendlich reicher gemacht hat.

 

Am Rande einer Oase wuchs eine junge, vor Kraft strotzende Palme.

Ein gebrechlicher Mann, der eines Tages mit seinem Kamel an ihr vorbeiritt, konnte den Anblick ihres Wohlergehens nicht vertragen und beschloss, sie an ihrer sorglosen Entfaltung zu hindern.

Er hob also einen schweren Stein vom Boden auf und legte ihn der jungen Palme direkt auf die Krone. Dann setzte er schadenfroh seinen Weg fort.

Die kleine Palme spürte die schwere Last, die auf ihr lag und wehrte sich dagegen mit aller Kraft, die ihr zur Verfügung stand.

Allein es half nichts und der Stein drückte schwer auf ihr.

Ihre Verzweiflung war groß und sie fühlte, dass sie so nicht länger weiterleben könnte.

Um unter der  erdrückenden Last nicht gänzlich zusammenzubrechen, beschloss sie, mit ihren Wurzeln  tiefer in das Erdreich einzudringen.

Es dauerte nicht lange, bis sie plötzlich merkte, dass sie das Grundwasser erreicht hatte.

Mit großer Anstrengung nährte sie sich ausgiebig davon und trank immer weiter, bis sie sich nach und nach zur kräftigsten Palme im weiten Umkreis entwickelt hatte.

Als der Mann nach mehreren Jahren wieder an denselben Ort zurückkehrte und seiner Schadenfreude frönen wollte, fand er zu seinem Erstaunen eine wunderschöne Palme anstelle eines verkrüppelten Baumes vor.

Auf ihrem Haupt thronte immer noch der Stein, den ihr der Mann einst auferlegt hatte.

Doch machte dieser den Anschein, als wenn eine Königskrone die Palme schmücken wollte.

Als der Mann ganz verdattert zu ihr hochblickte, beugte sie sich plötzlich zu ihm herunter und flüsterte ihm ins Ohr:

„Danke für den Stein, den du mir damals auf meinen Kopf gelegt hast. Diese Last hat mich stark gemacht und mir tiefe Wurzeln geschenkt! Im Gegensatz zu vielen anderen konnte ich deshalb bislang allen Sandstürmen trotzen:"

 

Verschämt zog der Mann von dannen.

 

 

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