In Zeiten wie diesen: Ein blaues Wunder

 

Wer jetzt glaubt, mein blaues Wunder wäre mit negativen Gedanken behaftet, der irrt.

Denn das, was da auf meiner Wiese wächst und sich von Tag zu Tag mehr in einen blauen Blütenteppich verwandelt, ist nichts anderes als der Gundermann mit seinen auffälligen Lippenblüten.

Und weil bei diesem Gewächs die Gleichberechtigung ganz und gar angekommen zu sein scheint, darf sich Herr Gundermann auch als Frau Gundelrebe bezeichnen.

 

Der „Erdefeu“ ist schon ein sonderbarer Geselle und gehört zu jenen kriechenden Begleitkräutern im Rasen, über den sich so manche Gärtnerin die Haare rauft. (siehe gestriger Beitrag!)

 

Erst wenn man sich näher mit dieser hochwirksamen Heilpflanze beschäftigt, denkt man gar nicht mehr daran, sie aus seinem Gesichtsfeld zu verbannen.

Schon römische Soldaten trugen den zuverlässigen Wundheiler immer bei sich. Für sie war er nicht nur ein guter Freund bei der Behandlung von Verletzungen und eitrigen Entzündungen, sondern zudem eine Verdauungshilfe und aromatische Würze in der wohl sonst eher bescheidenen Feldküche.

Bis zum heutigen Tag ist die sogenannte Soldatenpetersilie eine wichtige Zutat für die bekannte Gründonnerstagssuppe.

 

Ganz ähnlich wie Holunder und Brennnessel, hält auch die Gundelrebe nach der Nähe des Menschen Ausschau. Darum wird sie wie diese zu den beschützenden Hausgeistern gezählt.

In Zeiten von Not und Gefahr bietet sie ihre Hilfe an, sollen sich unter ihren Blättern doch Heinzelmännchen und andere menschenfreundliche Wesen tummeln, welche Lebenskraft und Gesundheit bringen.

Viele weitere mystische Geschichten sind uns zu diesem, außerhalb der Blütezeit recht unscheinbar wirkendem Pflänzchen bekannt.

Ist`s wahr oder nicht, dass die aus den Gundelrebenranken gewundenen Kränzchen Hexen in der Walpurgisnacht aufspüren oder Milchzauber lösen?

Eines ist jedenfalls bewiesen: Gundermann gilt bei unseren Ahnen als Schutz gegen das Böse und allerlei Unheil. Auch Krankheiten gehören dazu. Besonders bei eitrigen Wunden scheint der kleine Lippenblütler all seine Register zu ziehen.

Das tut der Gund kund. „Gund“ ist im Althochdeutschen nämlich die Bezeichnung für „Eiter“.

 

Wenn wir heute die Wirksamkeit der Gundelrebe analysieren, wissen wir, dass diese auf den hohen Gehalt an ätherischen Ölen, Saponinen, Gerb- und Bitterstoffen beruht.

Als Entgiftungskraut hat sie sich vor allem zum Ausleiten von Schwermetallen bewährt.

Schwächliche Kinder, die immer wieder von eitrigen Mandelentzündungen heimgesucht werden, profitieren von einer Teemischung, die  aus Gundelrebe (Blättchen und Blüten) sowie wilden Erdbeer- (vor der Blüte) und Himbeerblättern zu gleichen Teilen besteht. 

Hildegard von Bingen  empfiehlt die kieselsäurehaltige Gundelrebe in Milch zu kochen und diese bei Bronchialleiden oder schwacher Lunge schluckweise zu trinken.

 

Für den Hausgebrauch ist die Herstellung eines Gundermannöls sehr empfehlenswert. Dieses kann pur oder mit Bienenwachs zur Salbe eingedickt, bei der Behandlung von Ekzemen und entzündeten Wunden verwendet werden.

Gundermannblätter sind auch einer milden Zugsalbe gleichzusetzen, mit deren Hilfe man nicht zu tief sitzende Holzspitter an die Oberfläche holen kann. Dafür wird das Blatt leicht gequetscht und mit einem Heftpflaster über Nacht fixiert.

 

In Zeiten wie diesen bedarf es ab und zu einer kleinen Sünde, um unsere strapazierten Nerven in Schach zu halten. Wie wäre es also, eine Tafel Zartbitterschokolade zu schmelzen und die gekerbten, nierenförmigen Blättchen darin durchzuziehen?

 

Ein Hochgenuss, nicht nur für süße Naschkatzen, das kann ich euch versprechen!

lg md sm xs