In Zeiten wie diesen: Ein Stück Heimat

 

Einer alten Tradition folgend, werden in vielen Gegenden Süddeutschlands, Österreichs und Südtirols mehr oder weniger kunstvolle Palmbuschen gebunden, mit welchen sich dann Kinder und Erwachsene bei der Palmprozession am Palmsonntag stolz auf den Weg machen.

Das Ritual sollte an den Einzug unseres Herrn in Jerusalem erinnern, wo er von der Bevölkerung freudestrahlend und jubelnd willkommen geheißen wird.

In Anbetracht der bevorstehenden Karwoche wird uns einmal mehr bewusst, wie schnell sich das Blatt doch manchmal wendet!

In Zeiten wie diesen wissen wir alle ein Liedchen davon zu singen.

 

Üblicherweise werden die geweihten Palmbuschen nach der Messe am Gartenzaun oder in Hausnähe plaziert, in der Hoffnung, dass die Bewohner und deren Umfeld vor Krankheit, Unwetter oder anderen schlechten Einflüssen verschont bleiben.

 

Besonders in der bäuerlichen Gesellschaft wird die Pflege von altüberliefertem Brauchtum groß geschrieben.

Das verpflichtet uns zu aufrichtigem Dank, denn nur dadurch können bestimmte Werte sowie das Gefühl der Zusammengehörigkeit erfahren und lebendig gehalten werden.

Das Vermächtnis unserer Ahnen symbolisiert aber gleichzeitig auch ein Stück Heimat, in der wir verwurzelt sind und uns geborgen wissen.

 

Es ist schon etliche Jahre her, als ich im Zusammenhang mit dem Palmbuschenwinden eine überaus fruchtbare Begegnung hatte, die bis heute in mir nachklingt.

 

Wir waren bei unserer Tochter in Salzburg zu Besuch, als uns eine gemeinsame Wanderung an einem einsamen Gehöft inmitten sattgrüner Wiesen vorbeiführte. Schon von weitem ließ sich fröhliches Geplapper hören, das sich schließlich als Stimmengewirr einer Großfamilie entpuppte.

 

Bei strahlendem Frühlingswetter hatten sich Jung und Alt rund um den Tisch im Hof versammelt, um sich gemeinsam auf die Palmprozession vorzubereiten.

Nach einem gegenseitigen „Grüß Gott“ erkundigte ich mich über die Vorgehensweise, die diesem Palmbuschenwinden zugrunde liegen.

Es war die Altbäuerin, die mich stolz in ihre Familientradition einweihte und das, von ihrer Mutter ererbte Wissen an die nächste Generation weiterzugeben versuchte.

Ich war  erstaunt, mit welcher Hingabe einerseits und mit welch strenger Ordnung andererseits da vorgegangen wurde.

 

Demzufolge lernte ich, dass zum Winden eines Palmbuschens sieben verschiedene Pflanzen notwendig wären.

 

Ich wußte bereits vom Kräuterstrauß an Maria Himmelfahrt, dass die Zahl Sieben auf die Wochentage und die Anzahl der Planeten verweist.

In der christlichen Symbolik steht die 7 für die 6 Schöpfungstage mit dem darauf folgenden Ruhetag, der als Sabbath bezeichnet wird.

In der Bibel trifft man immer wieder auf die 7, wenn es z.B. um die 7 Sakramente, die 7 Tugenden, die 7 Engel, die 7 Himmel, die 7 letzten Worte des Heilands am Kreuz, die 7 Freuden und Schmerzen Maria`s geht, um nur einige zu nennen.

Aber auch das Dämonische äussert sich gerne in der Siebenzahl. Den sieben guten Geistern stehen sieben böse, den sieben Himmeln sieben Höllen, den sieben Tugenden sieben Laster gegenüber.

 

Die Auswahl der Pflanzen, die in die Palmbuschen dieser Familie eingearbeitet wurden, weckte mein Interesse.

Als mir die Bäuerin deren Symbolik erklärte, erbat ich Zettel und Bleistift, um mich auch später noch daran zu erinnern.

 

Gern will ich sie in diesem Rahmen so wiedergeben, wie es mir von dieser einfachen, aber äußerst sympathischen und tiefsinnigen Frau vermittelt wurde.

 

Immergrüner Buchs: Ausdauer, Unsterblichkeit, Standhaftigkeit, Abgrenzung nach außen, Schutz nach innen

Efeu: Treue, Unsterblichkeit und ewiges Lebens

Hasel: Glück, Weisheit, Fruchtbarkeit (viele Nüsse im Herbst, viele Buam im Jahr darauf!), Friedensbote, Schutz für Äcker und Ernte

Wacholder: Bestandteil des Kreuzes (die Beeren sind mit einem Kreuz versehen), Fruchtbarkeit, ewiges Leben

Sal-Weide: Auferstehung und Neubeginn

Dürres Eichenlaub: Tod und Vergänglichkeit

Lärche: Schutz, Lichtbringer, Reinigung, Neubeginn

 

Zum Festbinden und Verzieren des Palmbuschens wurden Bänder in den Farben violett (Fastenzeit, Karwoche), gelb (Jesus, unsere Sonne und unser Licht), rot (Gottes Kraft und Liebe) gewählt.

 

Jetzt bleibt mir nur noch, meine Leser und Leserinnen am heutigen Palmsonntag mit einem Palmbuschen grüßen, der dank der Hilfe meines Mannes, heuer besonders schön ausgefallen ist.

 

In Zeiten wie diesen war es mir allerdings ein großes Bedürfnis, etwas mehr Farbe hinein zu winden.

Die Bäuerin aus dem Salzburgerischen möge es mir verzeihen!

 

 

 

 

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