In Zeiten wie diesen: Sich selbst finden

 

Feste muss man feiern wie sie fallen, sagt ein Sprichwort!

Das schöne Wetter auch, füge ich hinzu und bin froh, dass wir als Rentner unsere Zeit selber einteilen können.

 

Ein guter Grund, warum wir heute Vormittag ganz spontan beschlossen haben, eine Fahrt ins Blaue zu machen.

 

Wie so oft, führte uns der Weg auf die Mendel und von dort weiter nach Cavareno, nach Romeno und schließlich nach Salter, einer kleinen verträumten Fraktion von Romeno.

 

Hier, auf der Hochebene des oberen Nonstales  lachten uns bei strahlendem Sonnenschein dann auch gleich die verschneiten Brenta-Dolomiten im Süden und die Maddalene-Gruppe im Südwesten entgegen.

 

Hinter der kleinen, romanischen Kirche von Salter begann unser Fußmarsch zur Wallfahrtskirche von San Romedio.

 

Die perfekte Runde, die über einen Abschnitt des Jakobsweges führt, dauerte in unserer gemütlichen Gangart an die 3 Stunden und kann halbwegs gehtüchtigen Menschen jederzeit empfohlen werden.

Obwohl der Hinmarsch immer nach unten in einen Canyon führt, ist der Rückweg deswegen keineswegs anstrengend, da es nur ca. 200 Höhenmeter zu bewältigen gilt.

 

Der Lichteinfall in der Schlucht war großartig und die Flora, die uns auf unserem Weg begleitete ebenfalls.

 

Die Wallfahrtskirche selbst ist einzigartig.

Aus mehreren Kirchen und Kapellen bestehend, erhebt sie sich auf einem 70 m hohen Kalkfelsen und lässt Baustile aus verschiedenen Epochen erkennen.

Die älteste Kirche ist um das Jahr 1000 datiert und wurde auf dem Grab des Hl. Romedius errichtet.

 

Wer an diesem einzigartigen Ort Ruhe und Spiritualität erleben möchte, ist gut beraten, an einem Werktag vorbeizukommen.

Denn San Romedio ist eine überaus beliebte Pilgerstätte und wird jährlich von 200.000 Menschen besucht.

 

Und Bär Bruno, der auf diesem Gelände in einem gepflegten Gehege seit 2013 seine zweite Heimat gefunden hat, ist gewiss ein zusätzlicher Anziehungsmagnet.

 

„Pilgern ist Beten mit den Füßen“ habe ich einmal gelesen und ich kann dem nur zustimmen.

Wer sich nämlich auf den Weg macht, der erlebt Entschleunigung mit jeder Faser seines Körpers und seines Herzens.

Gedanken kommen und gehen im Rhythmus der Schritte und man fühlt sich eins mit der Natur.

 

Plötzlich sieht  und hört man einfach besser: die unterschiedlichen Vogelstimmen, das Gesäuse des Windes, das Knacken der Bäume, die bunten Blumen und die blühenden Sträucher am Wegesrand.

Der Blutrote Storchenschnabel, auch Blutröschen oder Hühnerwurz genannt, (3.Foto) hat es mir besonders angetan!

 

In erster Linie erlebte ich den heutigen Tag aber als willkommene Auszeit, die ich mit großer Dankbarkeit wahrnahm.

Denn in der Geschäftigkeit des Alltags entgleitet uns das Wesentliche nur allzu leicht.

Und das wäre wirklich schade!

 

Worauf es in unserem Leben wirklich ankommt, kann folgende Geschichte auf verständliche Art entschlüsseln.

 

Ein Pilger machte Station in einem Kloster.
Er wurde freundlich aufgenommen und man bot ihm eine Mönchszelle als Schlafquartier an.
Als ihn der Klosterbruder daraufhin zu seinem Zimmer begleitete, fand der Pilger nur ein Bett und einen Stuhl vor.
Verwundert über das karge Inventar wollte er wissen, wo die restlichen Möbel seien.
„Und deine?“, entgegnete der Mönch.
Verwirrt antwortete der Pilger: „Ich bin ja nur auf der Durchreise.“

Worauf der Mönch verschmitzt lächelte: „Wir auch!“

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