Vogelbeeren, Leckerbissen nicht nur fürs Federvieh
Dank günstigen Herbstwetters nehmen wir unser Frühstück bislang noch immer an einem geschützten Sitzplatz im Freien ein. Dabei werden wir vom aufgeregten Zwitschern und Flattern im nahen Vogelbeerbaum vollends wachgerüttelt. Zu dieser Jahreszeit ist der Tisch für Mensch und Tier besonders üppig gedeckt, wodurch die Wahl gar oft zur Qual wird. Unsere Piepmätze scheren sich nicht darum! Für sie gelten die weitum sichtbaren knallorangen Beeren der Eberesche als absolute Favoriten. Und weil die doldenähnlichen Fruchtstände von Tag zu Tag aus unserem Baume schwinden, ist Eile geboten, um nicht leer auszugehen.
Wer von den Beeren schon einmal genascht hat, wird meinem Vorhaben verständnislos begegnen. Schließlich sind Vogelbeeren an Herbheit und Bitterkeit kaum zu überbieten. Die Mährische Eberesche spielt da wohl eine rühmliche Ausnahme. Genannte Zuchtform punktet mit großen, geschmacklich an Preiselbeeren erinnernden Beeren. Zu Marmelade, Gelee oder Chutney verkocht, ergeben sie einen ganz speziellen Genuss. Mit Äpfeln, Birnen oder Zwetschgen gemischt oder unter Zugabe von Zimt kann das Geschmackserlebnis variiert werden. Tipp: Durch vorhergehendes Einfrieren werden auch die Bitterstoffe der wilden Vogelbeeren wesentlich abgebaut!
Mein persönliches Rezept für Vogelbeer-Birnen-Gelee: Je 250g abgerebelte Vogelbeeren und kleingeschnittene Birnen samt Kerngehäuse mit 200g Gelierzucker 2:1 und 1/8l Birnenyoga (wahlweise auch Apfelsaft oder Wasser) mischen und das Obst unter Rühren weichkochen. Mit der flotten Lotte passieren, eventuell 5g Zitronensäure (gibt Spritzigkeit und eine schöne Farbe) und 10g (oder auch mehr!) Rosinen unterrühren und in kleine Gläschen abfüllen. Das leicht bittere Gelee schmeckt als Brotaufstrich, aber vor allem als Beigabe zu Käse oder Wildfleisch.
Botanisch gehören Ebereschen zur Familie der Rosengewächse. Als Wirtspflanze des Feuerbrandes sind sie deshalb in Obstbaugebieten nicht sehr willkommen, in ökologischer Hinsicht hingegen eine wichtige Futterquelle für ca. 100 Insekten-und Säugetierarten. Und obwohl der Name es vermuten lässt, der „Eber“ gehört nicht dazu! Im Althochdeutschen ist „Eber“ oder „Aber“ wie beim „Aber“glauben mit „Falsch“ gleichzusetzen. Damit ist die gefiederte, der Esche zum Verwechseln ähnliche Blattform gemeint. Für die Bezeichnung „Stinkesche“ sind die Blüten im Frühling verantwortlich, die an faulendes Fleisch erinnern.
Im keltischen Baumhoroskop zählt die Eberesche neben Apfel, Walnuss und Tanne zu den wichtigen Lebensbäumen. Die in ihrem Zeichen Geborenen (1.4.-10.4 und 4.10-13.10) sind erfüllt von tiefer Lebensfreude und punkten durch Ehrlichkeit sowie diplomatisches Verhandlungsgeschick.
Volksmedizinisch finden Blätter und Blüten der Vogelbeere bei Erkältungskrankheiten und Verdauungsproblemen Verwendung. Die Beeren sind reich an VitaminC (100mg/100gBeeren), welches sich beim Kochen etwa um ein Drittel reduziert. Trotzdem ist das Einkochen ein Muss, wird doch erst durch das Erhitzen die problematische Parasorbinsäure (Vergiftungserscheinungen mit Durchfall und Erbrechen!) in Sorbinsäure verwandelt und somit unschädlich gemacht.
In unserer Heimat ist Vogelbeerschnaps seit jeher etwas ganz Besonderes. Die mühsame Ernte und aufwändige Destillation mit einer eher geringer Ausbeute (100kg/2l) machen den „Moscher“ zu etwas Besonderem, was sich natürlich auch im Preis niederschlägt.
Ein Vogelbeer-Heiltrunk, den ich im Salzkammergut kennengelernt habe, kann helfen, die Abwehrkräfte in Zeiten hoher Ansteckungsgefahr zu mobilisieren. Er soll präventiv für 2-3 Wochen eingenommen werden (1EL auf eine Tasse trinkwarmen Holunderblütentee). Dazu bedarf es 7 fein geschnittener Knoblauchzehen, die mit ¼ kg flüssigem Honig, dem Saft von 5 Zitronen und 1/8l Vogelbeerschnaps vermengt, täglich verschüttelt und nach 2 Wochen filtriert werden.
Dem Gedankengut Pfarrer Kneipps verpflichtet, versuche ich in Stresssituationen die Balance durch kreatives Tun wiederzufinden. Beim Gestalten von floristischen Kreationen oder beim Basteln schaffe ich es meistens gut, Spannung abzubauen und ruhig zu werden. Unlängst haben mich Vogelbeeren und gleichfarbige Physalis aus meinem Garten dazu inspiriert, ein herbstliches Mobile zu schaffen.